Neuer Koalitionsvertrag im Land Berlin von RotGrünRot – was steht drin für UMF?

Kurz vor Weihnachten hat sich die alte und neue Koalition aus SPD, Grünen und Linken unter dem Motto „Zukunftshauptstadt Berlin“ auf einen Koalitionsvertrag für die Legislaturperiode 2021–2026 geeinigt. Gleich in der Präambel erfolgt ein Bekenntnis zur Bedeutung von Migration für die Stadt: „Berlin ist Anziehungspunkt, Zufluchts- und Sehnsuchtsort für Menschen aus über 150 Nationen, die zum Ideenreichtum und zur Entwicklung unserer Stadt beitragen. Schon immer lebte unsere Stadt von Zu- und Einwanderung von Menschen. Berlin bleibt ein sicherer Hafen für Menschen in Not.“

Aber was gibt es für konkrete Ankündigungen im Vertrag? Was steht drin für “unbegleitete minderjährige Geflüchtete (UMF)? Insgesamt ist festzustellen, dass das Thema Flucht und Migration nicht mehr den hervorgehobenen Stellenwert hat wie noch im Koalitionsvertrag von 2016. Damals tauchte das Wort „Geflüchtete“  in allen Variationen an 68 Stellen des Vertrages auf, jetzt nur noch an 22. Hier stellen wir einige wichtige Vereinbarungen und Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag vor:

VERSORGUNG, SCHUTZ UND INTEGRATION VON UMF

Speziell zu unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten findet sich nur ein unkonkreter Hinweis: „Die Koalition wird die notwendigen Kapazitäten zur Versorgung, zum Schutz und zur Integration von minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen sicherstellen.“ UMF gehören nach EU-Recht zu den „besonders schutzbedürftigen“ Geflüchteten. Hier soll künftig die Expertise des Berliner Netzwerks für besonders Schutzbedürftige (BNS), zu dem auch XENION als Fachstelle gehört, „zukünftig vom LAF (Landesamt für Flüchtlinge) angemessen berücksichtigt“ werden. Dies war in der Vergangenheit leider häufig nicht der Fall, so wurden z.B. attestierte Traumatisierungen vom LAF nicht anerkannt. Die „Politik der Willkommenskultur bei Einwanderung und Aufnahme von Menschen in Not“ soll fortgesetzt werden. Hierzu gehört nach unserer Überzeugung auch das bewährte System der ehrenamtlichen Einzelvormundschaft, denn für UMF sind es gerade engagierte Menschen der Berliner Zivilgesellschaft die ein Ankommen und die Integration der jungen Geflüchteten wesentlich erleichtern. Die zu Anfang 2021 erfolgte Halbierung der Mittel für das Netzwerk Vormundschaft, zu dem akinda gehört, ist damit unvereinbar. Hier muss in den kommenden Monaten bei den Haushaltsberatungen massiv nachgesteuert werden!

ZIEL: “SCHNELL EINE SICHERE BLEIBEPERSPEKTIVE GEBEN”

Für die Ausländerbehörde wird folgende Richtschnur vorgegeben: „Ziel ist es, Menschen schnell eine sichere Bleibeperspektive zu geben. Das Landesamt für Einwanderung (LEA) wird alle Vorsprechenden frühzeitig informieren, wie ein Aufenthaltstitel erhalten oder verbessert werden kann sowie Auslegungs- und Ermessensspielräume in diesem Sinne nutzen.“ Hier fehlen konkrete Vorschläge! So hatte zum Beispiel der Berliner Flüchtlingsrat für alle UMF gefordert, diesen ab Einreise zumindest bis zur Volljährigkeit einen humanitären Aufenthaltstitel zu erteilen. Bei der Ausländerbehörde sollen zudem „Onlineterminvereinbarungen und digitale Antragsstellungen für alle werden ausgebaut, Terminvorlaufzeiten deutlich verkürzt, und die Beratung durch verstärkte Mehrsprachigkeit und Sprachmittlung verbessert“ werden. Dann muss aber jetzt auch das aus unserer Sicht eindeutig rechtswidrige System abgeschafft werden, bei dem UMF innerhalb der ersten 2-3 Wochen ihres Aufenthaltes in Berlin persönlich bei der Ausländerbehörde vorsprechen müssen, hier zu Fluchtgründen und Einreisewegen befragt werden und dabei nicht durch eine Vormund:in oder einen anderen rechtlichen Beistand begleitet werden!

Für humanitäre Aufenthalte finden sich im Vertrag eine Reihe von Absichtserklärungen, die aber noch nicht konkret inhaltlich ausgefüllt sind. So will die Koalition alle „aufenthaltsrechtlichen Möglichkeiten für Legalisierung, Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltsrechten nach humanitären Gesichtspunkten voll ausschöpfen und sich für ein humanitäres Bleiberecht von mehrjährig Geduldeten und Opfern von Hasskriminalität auch beim Bund einsetzen“.

“AUSNAHMEN VON DER PASSPFLICHT GROSSZÜGIG HANDHABEN

Für ein riesiges Problem bei der Erteilung von humanitären  Aufenthaltstiteln, der Erfüllung der Passpflicht, gibt es zumindest das Bekenntnis, die Ausnahme von der Passpflicht „großzügig zu handhaben und alternative Formen des Identitätsnachweises zu berücksichtigen, soweit die Passbeschaffung nicht zumutbar ist.“ Hier wird genau beobachtet werden müssen, ob sich an der bisher sehr restriktiven Praxis der Berliner Ausländerbehörde etwas ändert.

ABSCHIEBUNGEN

Bei Abschiebungen will die Koalition „humanitäre Grundsätze“ wahren“: „Direktabschiebungen aus Schulen, Jugendeinrichtungen und Krankenhäusern sowie Familientrennungen bei Rückführungen wird es nicht geben. Auf nächtliche Abschiebungen soll verzichtet werden.“

RACIAL PROFILING

Junge Geflüchtete sind häufig von anlassunabhängigen Polizeikontrollen betroffen. Hier hat sich die Koaliton darauf verständigt, dass „Personenkontrollen … nur am Verhalten und nicht am äußeren Erscheinungsbild von Personen anknüpfen (dürfen)“ und daher „das Verbot von racial profiling im Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) verankert“ werden soll.

SCHULE UND BILDUNG

Im Bildungsbereich finden sich eine Reihe von  Vereinbarungen, von denen auch UMF profitieren können: „Die Koalition wird geflüchtete Kinder und Jugendliche nach möglichst kurzer Verweildauer in Willkommensklassen in den Regelschulbetrieb integrieren.“ Zudem ist es Ziel, die Schulen „diskriminierungsfrei zu gestalten“: Dafür wird die Koalition das „pädagogische Personal diverser aufstellen, die Rahmenlehrpläne und Lehr- und Lernmaterialien rassismus- und kolonialkritisch überarbeiten und Fortbildungen zu diesen Themenfeldern aus- und aufbauen.“

EINE UMFASSENDE ZUSAMMENFASSUNG ALLER REGELUNGEN ZU THEMA FLUCHT UND MIGRATION FINDET SICH BEI „BERLIN HILFT!“

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